Zwangsprostitution und Menschenhandel in Deutschland

Deutschlandfunk
17.10.2013 · 18:40 Uhr
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Ein Bordell im Bahnhofsviertel von Frankfurt am Main. (Bild: picture alliance / dpa / Salome Kegler)

Das brutale Geschäft mit käuflicher Liebe
Zwangsprostitution und Menschenhandel in Deutschland
Von Dorothea Jung

Alltag in Deutschland: Junge, mittellose Frauen aus aller Herren Länder, bisweilen im Teenageralter, prostituieren sich – zwangsweise. Zuhälter und Menschenhändler haben sie unter falschen Vorzeichen hierher geholt, drohen nicht nur mit Gewalt und scheuen auch vor Mord nicht zurück.

Galina (Name von der Redaktion geändert) wächst in Weißrussland auf, in einer bildungsbewussten Familie mit großer Liebe zur Kunst. Allerdings muss sie sich nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester eingestehen: Weder von der Kultur noch von ihrem Gehalt kann sie eine Familie ernähren.

„Diese ganz schwere Finanzsituation in der Heimat. Ich habe ein Baby gehabt, und ich habe so wenig verdient, das konnte man nicht leben von diesem Geld. Meine Mutter, die hat nur Arbeitslosenhilfe bekommen. Und dann hab ich mich entschieden für eine Arbeitsstelle im Ausland suchen. Und so bin ich nach Polen gekommen.“

Galina will in Polen als Altenpflegerin arbeiten. Doch stattdessen landet sie in den Fängen einer organisierten Menschenhändlerbande. Der Landsmann, der versprochen hatte, für sie in Warschau berufliche Kontakte zu knüpfen, hatte sie bereits in Weißrussland an den deutschen Chef eines europaweit agierenden Callgirl-Ringes verschachert. Mit gekauften falschen Papieren wird sie zu ihm nach Deutschland chauffiert.

„Der Chef hat einfach ein paar Pornos auf den Tisch gelegt und hat gesprochen wie mit einem Kind im Kindergarten. ‚Ich weiß, du willst das nicht machen, aber du machst es. Du willst nicht hier bleiben, aber du bleibst hier. Ist egal, ob du das willst oder nicht.‘ Und nach diesem Gespräch ich war keine Sekunde allein.“

„Wehe, du bringst kein Geld nach Hause, dann bring ich dich um.“

Luisa wächst in einer kleinen Stadt irgendwo in Afrika auf. Die Mutter ist seit Langem tot. Als schließlich auch ihr Vater stirbt, ist sie mit 13 Jahren ganz auf sich gestellt. Um zu überleben, schleppt sie jeden Tag Wasser vom Brunnen zum Markt und verkauft es. Für die Schule bleibt keine Zeit. Eines Tages trifft sie dort einen Mann, der ihr eine Zukunft in Europa verspricht.

„Er hat mir erzählt, er kann mich nach Europa bringen. Dort würde ich zur Schule gehen, und nach der Schule, wenn ich erwachsen bin, könnte ich arbeiten gehen, und dann könnten wir heiraten. Das hat er mir versprochen – und deswegen hatte ich den Mut, ihm hierher zu folgen.“

Luisa weiß nicht, dass der Mann, dem sie sich anvertraut hat, Mitglied eines Menschenhändlerringes ist. Bereits am zweiten Tag nach ihrer Ankunft in Deutschland soll die 13-Jährige für ihn anschaffen gehen. Luisa ist noch Jungfrau. Als sie sich weigert zu gehorchen, wird sie von dem Mann vergewaltigt.

„Dann sagt er: ‚So nun kannst du morgen arbeiten gehen. Und wehe, du bringst kein Geld nach Hause, dann bring ich dich um. Kein Mensch wird nach dir fragen.'“

Galina und Luisa – zwei Frauen, die Opfer von Menschhändlern wurden. Um sie zu schützen, haben wir die Angaben über ihre Person geändert. Schutz sei für diese Frauen sehr wichtig, meint Barbara Petersen aus Berlin. Die Rechtsanwältin vertritt betroffene Frauen. Ihrer Erfahrung nach setzen die Händler-Ringe in den letzten Jahren vermehrt sogenannte „Loverboys“ als Anwerber in Rumänien und Bulgarien ein. Diese Männer gaukeln unerfahrenen jungen Mädchen in Dörfern und Kleinstädten Liebe vor und versprechen ihnen eine Heirat in Deutschland. Eine Mandantin von Barbara Petersen ist bereits auf der Webseite eines deutschen Escort-Services annonciert, als sie hier ankommt. Headline der Anzeige: „24 Stunden sieben Tage die Woche buchbar“.

„Sie wurde sehr viel gebucht am Anfang. Wie das, glaube ich, immer so ist, wenn man dann auch so angeboten wird mit ‚frisch da‘ aus Was-weiß-ich-wo und dann eben auch das jugendliche Alter mit in die Anzeigen aufgenommen wird. Also, das scheint zu ziehen bei den Freiern.“

Nach einem Jahr ist die junge Frau – sie ist damals 17 Jahre alt – vollkommen erschöpft. Als ihr Zuhälter ins Ausland reist, findet sie dennoch die Kraft, zur Polizei zu gehen und auszusagen.

„Sie hat gesagt, sie hätte sich wahnsinnig schmutzig bei dieser Arbeit gefühlt, und sie sei halt irgendwann auch physisch am Ende gewesen. Und es gibt da so unsägliche Chat-Protokolle, aus denen man ersehen kann, wie Freier sozusagen Prostituierte bewerten. Und da kann man eben auch anhand dieser Bewertungen sehen, dass sie offensichtlich am Rande ihrer physischen Leistungsfähigkeit war. Ich will da jetzt gar nicht weiter in die Einzelheiten gehen.“

Nicht immer werden die Opfer bei der Anwerbung so getäuscht wie Galina, Luisa und Barbara Petersens Mandantin. Nach Auskunft der Berliner Staatsanwaltschaft reisen die Mädchen und Frauen allerdings selten aus eigenem Antrieb zur Prostitution nach Deutschland ein. Und schon gar keine Ahnung hätten sie von den Arbeitsbedingungen, die sie hier erwarten, sagt Leonie von Braun, die bei den Berliner Ermittlungsbehörden Beauftragte für Menschenhandel ist.

„Natürlich rechnen sich viele aus, dass es auch auf Prostitution hinauslaufen kann. Aber was das wirklich bedeutet, das weiß keine. Weil insbesondere bei den Frauen aus Rumänien und Bulgarien, die aus der dörflichen Situation angeworben werden, die haben vorher noch nie was mit Prostitution zu tun gehabt. Wie soll sich also eine 16-jährige Rumänin vorstellen, was das bedeutet?“

Selbst wenn die Frauen sich über ihren Einsatz als Prostituierte im Klaren sind, wissen sie nicht, dass sie ihren Verdienst großenteils abliefern müssen, meist keinen Freier ablehnen dürfen und so viele Kunden wie möglich zu bedienen haben. Leonie von Braun zufolge setzen die Zuhälter ihre Profitinteressen rücksichtslos durch.

„Die Zuhälter haben also ein leichtes Spiel, weil sie sind in der Regel Männer. Sie können sich mit körperlicher Gewalt durchsetzen, mit Drohungen gegenüber den Frauen selbst, aber auch einfach mit dem Satz ‚Ich weiß, wo deine Familie lebt‘, oftmals sind Drogen im Spiel und Alkohol, um die Frauen gefügig zu machen.“

Je skrupelloser die Täter vorgehen, desto verängstigter sind die Frauen. Galina muss einer regelrechten Gewaltinszenierung beiwohnen.

„Der Chef wollte für mich einfach ein Beispiel zeigen, was er macht, wenn jemand – wie hat er gesagt – ‚unbrav‘ ist. Und ich habe gesehen, wie hat er eine Frau geschlagen. Er hat das solange gemacht, wie vielleicht hat es Spaß gemacht für ihn und, er hat gesagt: ‚Wen hast du noch zu Hause?‘ Sie hat gesagt: ‚Nur meine Mutter‘. ‚Na musst du nachdenken. Willst du nach Hause kommen und überhaupt alleine sein, oder willst du deine Mutter noch mal sehen?'“

Druckmittel aus der Ferne: Verwandte werden ermordet

Die Bedrohung der Familie zu Hause ist kein leeres Gerede. Luisa, die ihrem Peiniger weggelaufen ist, nachdem er sie halb blind geprügelt hat, erfährt, dass ihre Verwandten in Afrika ermordet wurden. Sie hat ihren Zuhälter in Verdacht. Aber sie will es genau wissen und ruft ihn an.

„Er sagt zu mir: ‚Das war jetzt nur ein ganz kleines Ding, was du erlebt hast. Du wirst mehr erleben als das. Ich bin derjenige, der die Leute zu deiner Familie geschickt hat, damit sie das tun.‘ Ich hab ihm gesagt, dass ich zur Polizei gehen werde, weil er das meinen Verwandten angetan hat. Da meint er, ich sollte ja nicht vergessen, dass ich den Voodoo-Schwur geleistet habe. Und dann habe ich mich daran erinnert.“

Luisa befürchtet, die Menschenhändler könnten auch noch ihre kleine Cousine ermorden, ihre letzte noch lebende Verwandte in Afrika. Die einzige Möglichkeit, dieses Kind zu retten, sieht die damals 14-jährige Luisa darin, sich der Polizei zu offenbaren. Heute lebt sie in einem Zeugenschutzprogramm irgendwo in Süddeutschland. Und es geht ihr sehr schlecht.

„Ich hab ja beim Voodoo geschworen, dass in meinem Leben nichts mehr so sein würde, wie es war, wenn ich zur Polizei gehe, und das erleb ich jetzt. Seitdem ich mich daran erinnere, habe ich ständig Blutungen. Könnt ihr euch vorstellen, was es für ein junges Mädchen bedeutet, seit drei Jahren dazu verdammt zu sein, zu bluten, und es hört einfach nicht auf?“

In Berlin stehen zurzeit mehrere Menschenhändler aus Afrika vor Gericht, die ihre Opfer mit Voodoo-Schwüren an sich gebunden haben. Manche Frauen haben geschworen, bis zu 60.000 Euro an ihre Händler zu zahlen. „Sie hatten keine Vorstellung vom Wert der Währung, aber sie fühlen sich an den Schwur gebunden“, erklärt eine weitere Opferanwältin, Aenne Ollmann aus Berlin. Die psychischen Folgen des Voodoo-Kultes würden von Europäern oft unterschätzt, sagt sie. Ihrer Meinung nach handelt es sich bei Voodoo um ein äußerst wirksames Instrument der seelischen Beeinflussung.

„Im Rahmen des Schwures wird klar gesagt, dass mit niemandem darüber weiter gesprochen werden darf. Und es gibt Hinweise darauf, dass auch Druck gemacht wird mit dem Schwur. Im Grunde fürchten die Frauen, dass sie verwirrt werden, dass sie irrewerden, dass sie krank werden, dass sie vielleicht sogar sterben könnten. Das wird allerdings so direkt im Rahmen dieses Voodoo-Rituals nicht ausgesprochen, aber das ist das, was die Frauen fürchten.“

Ohne die Aussagen von betroffenen Frauen können Menschenhandels-Verbrechen nicht aufgeklärt werden. Aber wegen der vielfältigen Bedrohungen finden nur wenige von sich aus den Mut, zur Polizei zu gehen. Wer bei Polizeikontrollen Fragen beantworten muss, wagt es selten, sich zu offenbaren, sagt Rechtsanwältin Barbara Petersen.

„Weil sie eben oft aus Ländern kommen, bei denen man von vornherein eigentlich kein Vertrauen in die Ermittlungsbehörden hat. Länder, in denen sowohl die Justiz als auch die Polizei als besonders korrupt gilt. Und aus diesem Grund fällt es denen von vornherein schwer, da ein Vertrauen zu entwickeln und sich sozusagen voll zu öffnen – gegenüber sowohl Polizei als auch gegenüber der Justiz.“

Barbara Erit betreut im Berliner Verein „InVia“ der katholischen Sozialarbeit Frauen, die Opfer von Menschenhändlern wurden. Die Sozialpädagogin hat die Erfahrung gemacht, dass der Vertrauensverlust der Betroffenen oft total ist. „Das gilt insbesondere für die minderjährigen Opfer“, sagt Barbara Erit.

„Da ist alles kaputt gegangen, wir haben hier Mädchen, unter 14-jährige, die gebracht wurden nach Europa mit Versprechen von Schulbildung, und da passierte gar nichts. Und die erste oder zweite Nacht wurden sie vergewaltigt von mehreren Männern. Bitte, wieso sollen die mir vertrauen, wenn sie Vertrauen verloren haben komplett?“

Selbst wenn in vielen deutschen Großstädten Polizei und Beratungsstellen gut zusammenarbeiten und die Ermittlungsbehörden inzwischen vielerorts ein Bewusstsein dafür entwickelt haben, dass die Opferzeuginnen eine behutsame Befragung benötigen, muss doch die ganze Wahrheit ans Licht, damit die Täter verurteilt werden können. Die Zeuginnen müssen mutig sein. Denn sie müssen nicht nur während des Ermittlungsverfahrens im Landeskriminalamt stunden- und tagelang intimste Details offenlegen. Sondern auch, wenn es zum Prozess gegen die Menschenhändler kommt. Eine Hauptverhandlung in Anwesenheit der Täter ist für die Zeuginnen immer schwer, weiß Staatsanwältin Leonie von Braun aus vielen Strafverfahren.

„Sie werden komplett durchleuchtet – nicht nur vom Gericht, sondern vor allem auch von den Strafverteidigern. Und es wird der Versuch unternommen, sie selbst zum Täter zu machen, eine Mitschuld zu offenbaren, die es in der Realität nicht gibt. Aber kein Verfahren ist davon frei.“

Die Staatsanwältin wünscht sich von der Bundesregierung, eine vom Europäischen Parlament verabschiedete Richtlinie zügig umzusetzen, in der die Behörden ermächtigt werden, sich stärker um den Schutz der Opfer zu kümmern. Das fordern anlässlich des europäischen Tages gegen Menschenhandel, der morgen stattfindet, Menschenrechtsorganisationen, Kirchen und Sozialvereine. Und auch Sozialpädagogin Barbara Erit von der Beratungsstelle „InVia“. Sie kritisiert, dass die Frauen nach den bestehenden Regelungen nur dann in Deutschland bleiben dürfen, wenn sie den Mut aufbringen, in einem Prozess auszusagen. Oder dass die aussagewilligen Frauen nur für die Dauer eines Strafverfahrens Schutz genießen. Barbara Erit fordert stattdessen eine Perspektive für die hier lebenden Betroffenen.

„Wenn ich es ernst meine, dass die, ja, dass die wirklich stabilisiert wieder sind, dann müssen die Zugang haben zu allem wie normale Bevölkerung, ja. Und Integration, das ist nicht nur halt, dass sie irgendwo sitzen in einem geschützten Raum, sondern tatsächlich irgendwann mal auch eine Wohnung anmieten können, anfangen wieder laufen zu lernen, und dass die auch Kultur leben, das ist Integration, das ist Partizipation eigentlich, und dann erst kann ich sagen, ja, die haben sich stabilisiert.“

Barbara Erit verweist auf das italienische Modell: In Italien bekommen die Opfer von Menschenhandel auch dann ein befristetes Aufenthaltsrecht, wenn sie nicht aussagen und dürfen bleiben, wenn sie sich integrieren. Sie dürfen auch ihre Kinder zu sich holen. Dazu gibt es Unterstützung sowie Qualifizierungsangebote. Staatsanwältin Leonie von Braun fordert darüber hinaus von der künftigen Bundesregierung, das geltende Prostitutionsgesetz zu ändern. Dieses 2001 unter Rot-Grün verabschiedete Gesetz hat nach Auffassung der Staatsanwältin die soziale Lage der Sexarbeiterinnen weniger verbessert als die Profitaussichten der Bordellbetreiber.

„Ich denke, das Prostitutionsgesetz hat bisher nur eins ermöglicht, und das ist, dass Rotlichtbetriebe vollständig aus dem Licht der Öffentlichkeit verschwunden sind, und ungehindert jeglicher staatlicher Kontrolle wirtschaften können. Es kann einfach nicht sein, dass bei dem Angebot von sexuellen Dienstleistungen keinerlei Kontrolle über die Führung des Betriebes erfolgt.“

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl, Berichterstatterin ihrer Fraktion für das Thema Menschenhandel, hält eine Kritik am Prostitutionsgesetz in dieser Absolutheit für falsch. Dieses Gesetz sei jedenfalls für den Anstieg von Zwangsprostitution und Menschenhandel nicht verantwortlich. Es habe aber Schwächen, und deswegen müsse es nachgebessert werden. Am besten noch in den Koalitionsverhandlungen.

„Das Leitbild der selbstständigen, eigenverantwortlichen Prostituierten, das sich im Prostitutionsgesetz ausdrückt, ist unser Wunschbild, deswegen Leitbild. Aber wir wissen, dass viele Prostituierte leider nicht so arbeiten können, sondern Zuhälter haben, schlechte Arbeitsbedingungen, nicht selbst darüber entscheiden, wie lange und wo und wie sie arbeiten. Und deshalb müssen wir Schutzmechanismen einbauen, um die Frauen vor Ausbeutung und Zwangsprostitution zu schützen.“

Bessere Kontrollen in Bordellen

Die Forderung der Unionsparteien nach einer besseren Kontrolle der Bordellbetreiber sei nachvollziehbar. Aber nach Auffassung der Sozialdemokratin kann der Gesetzgeber Menschenhandel und Zwangsprostitution effizienter mit dem Strafrecht bekämpfen als mit der Gewerbeordnung. Und den Schutz der Opfer sieht Eva Högl wirksamer gewährleistet, wenn ihnen großzügigeres Aufenthaltsrecht einräumt wird.

„Ich halte es für unabdingbar, dass das Aufenthaltsrecht über diesen Strafprozess hinaus erstreckt wird. Wir haben uns das angeschaut vom Rechtsausschuss, wir waren in den USA, das System des T-Visums uns angeguckt, wo nicht nur die Opfer von Menschenhandel ein Aufenthaltsrecht bekommen, sondern sogar die Angehörigen aus der Heimat. Ich hab in den USA auch extra gefragt, wird das ausgenutzt. Und da haben mir alle gesagt, nein, das T-Visum für Opfer von Menschenhandel wird nicht ausgenutzt. Niemand deklariert sich zum Opfer von Menschenhandel, der oder die keins ist.“

Auch Monika Lazar von den Bündnisgrünen glaubt nicht, dass das Prostitutionsgesetz Menschenhandel begünstigt. Sie weist darauf hin, dass das Gesetz etwa zeitgleich mit der EU-Osterweiterung in Kraft getreten ist. Mit der Folge, dass danach mehr arme Frauen nach Deutschland kommen, die hier Geld verdienen wollen.

„Und dadurch, dass erst ab nächstem Jahr die Arbeitnehmerfreizügigkeit voll eintritt, prostituieren sie sich. Und da ist dann die Frage, ist es freiwillig oder nicht. Ab wann beginnt der Zwang. Und wenn sie sagen, ich verdiene hier immer noch mehr Geld, dann ist es einfach schwierig, festzustellen, was ist jetzt Zwang, und was ist freiwillig.“

Das Problem mit dem Prostitutionsgesetz liegt nach Meinung der grünen Bundestagsabgeordneten darin begründet, dass es nur die Tätigkeit von Frauen regelt, die sich freiwillig prostituieren. Prostituierte sollten mit diesem Gesetz einen besseren Zugang zu Gesundheits- und Sozialsystemen erhalten und vom Stigma der Sittenwidrigkeit befreit werden. Für die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution sei das Gesetz nicht gedacht gewesen. Für diese Frauen müsse man die sozialen Beratungsstellen besser und verlässlicher finanzieren und das Aufenthaltsrecht lockern. Dass das Prostitutionsgesetz nicht das Ziel hatte, Menschenhandel und Zwangsprostitution zu fördern, räumen auch die Christdemokraten ein. Aber es habe Menschenhandel und Zwangsprostitution trotzdem begünstigt. Davon ist die CDU-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeyer-Becker überzeugt. Denn dieses Gesetz habe Bordell-Betreibern und Escort-Service-Unternehmen ein lukratives Geschäftsfeld eröffnet. Wenn in der anstehenden Legislaturperiode das Prostitutionsgesetz wieder auf der Agenda steht, geht es der Christdemokratin vor allem um eines:

„Oben drüber muss stehen, dass das Geschäftsmodell für die Schlepper und Menschenhändler gestört wird. Dazu gehören für mich Dinge in der Regulierung von Bordellen. Das muss genehmigungspflichtig werden. Es müssen andere Zutrittsrechte gegeben sein. Vor allem den Frauen eine geschützte Möglichkeit geben, sich zu erkennen zu geben und auszusteigen.“

Die mit dem Thema Menschenhandel befassten Bundestagsabgeordneten von CDU, SPD und Grünen sind sich darin einig, dass für die Opfer von Menschenhändlern mehr getan werden muss. Das wird nach Maßgabe der Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag aber wohl nur gelingen, wenn der Forderung konservativer Abgeordneter nach mehr Kontrolle der Prostitutionsbetriebe stattgeben wird.