Verschleierte Enteignung

Währungswechsel unter kommunistischer Herrschaft inVietnam

Von Trần Văn Tích

Am 30. April 1975 endete der Krieg in meiner Heimat Vietnam mit dem Sieg des Nordens und ein Jahr später brachte dieser Sieg die Vereinigung beider Landesteile unter kommunistischem Vorzeichen. Seitdem begehen die Kommunisten multiple systematische Straftaten gegen das Völkerrecht. Sie fügen Mitgliedern verschiedener Religionen (Christen, Buddhisten, Cao Dai, Hoa Hao) schwere körperliche und seelische Schäden zu. Sie versuchen, alle Kirchen zu spalten. Sie entziehen der südvietnamesischen Bevölkerung grundlegende Menschenrechte oder sie schränken diese wesentlich ein.

Die so genannten Umerziehungslager füllten sich mit hunderttausenden Offizieren, Beamten, Mitgliedern politischer Parteien. Zwischen 1975 und 1982 sollen mehr als sechzigtausend Menschen exekutiert worden sein. Durch Anweisungen oder andere Zwangsmaßnahmen verlegten die Behörden mehrere hunderttausend Menschen in ein anderes Gebiet, in den unwirtlichen „neuen Wirtschaftszonen“ wo sie unter erbärmlichen Bedingungen zur Fronarbeit in die Reisfelder oder in den Bergregionen im Zentralen Hochland gezwungen sind. Mehr als zwei Millionen Vietnamesen trieb die Verzweiflung dazu, in winzigen Booten die Flucht über das südostasiatische Meer zu wagen. Wenn sie nicht im stürmischen Meer ertranken, an Hunger oder Durst starben, wurden diese „Boat-People“ oft von Piraten ausgeraubt, vergewaltigt und ermordet. Mehr als elftausend dieser Flüchtlinge hat damals das Schiff „Cap Anamur“ gerettet, viele der Geretteten haben in Deutschland eine neue Heimat gefunden.

Solche Verbrechen der vietnamesischen Kommunisten gegen die Menschlichkeit sind bekannt. An dieser Stelle möchte ich über einen anderen Aspekt der Verbrechen durch das totalitäre Regime in meiner Heimat berichten. Es handelt sich um den viermaligen Währungswechsel in Vietnam seit 1975.

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Am 22. September 1975 (zu diesem Zeitpunkt befand ich mich im so genannten Umerziehungslager) gab es den ersten Währungswechseln, weil das „befreite“ Süd-Vietnam eine „revolutionäre“ Währung haben sollte. Der Plan zum Währungswechseln war ein großes Staatsgeheimnis der kommunistischen Machthaber. Im Vorfeld gab es absolut keine Information über dieses weit ausgedehnte, das gesamte Volk betreffende Ereignis. Erst am Morgen des Tages der Währungsumstellung wurde das Volk mit dem Wechseln konfrontiert und erhielt dann die notwendigen Informationen. Als Gerüchte aufgekommen waren, daß ein baldiger Währungswechsel anstünde, wiesen die Kommunisten das unverschämt, schamlos und hartnäckig zurück. Auch wenn der Währungswechseln morgen stattfände, leugneten sie ihn heute noch vehement. Ich erinnere mich dabei an die Antwort von Walter Ulbricht auf die Frage der Journalistin Annamarie Doherr von der Frankfurter Rundschau am 15.Juni 1961 : „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“

Ausgangssperren wurden im Zuge von Währungswechselaktionen stets für das ganze Land verhängt. Ganz plötzlich wurde ein solcher Zustand angeordnet. Die Polizei verbot jede persönliche Bewegung, das heißt, niemand durfte sein Haus verlassen. Die Verbotsmaßnahmen wurden mittels Lautsprecher angekündigt und immer mit scharfer Gewalt inklusive Munition durchgesetzt. Man durfte sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr frei bewegen. Die Bewohner mußten ungefähr dreißig Stunden im Haus bleiben und nur der Weg zu den in der Nähe liegenden Wechselstellen war erlaubt. Eine große Menge von Personen wurde heimlich mobilisiert und zu verschiedenen Wechselstuben gebracht. Mein ältester Sohn war auch dabei, obwohl er einer konterrevolutionären „Marionetten-Familie“ angehörte, und ungeachtet der Tatsache, daß sein Vater im Gefängnis saß. Er mußte sich bei der regionalen Polizei vorstellen, ohne zu wissen, warum und wofür. Die Aufhebung dieser Sperren erfolgte am Ende der Wechselaktion, nämlich am 22. September 1975 um 23 Uhr, wurde aber nicht offiziell verkündet.

Bei dieser Währungsumstellung galt das Verhältnis 1 : 500, das bedeutet, 500 Dong von Südvietnam wurden in einen neuen revolutionären Dong getauscht (Dong ist die Währungseinheit Vietnams). Es wurden nur Bankguthaben am Stichtag umgetauscht. Die Tauschsumme aber war begrenzt : Jede Familie durfte nur zweihundert neue Dong erhalten, der Rest mußte bei den Banken deponiert werden. Größere Geldvermögen, Kredite und andere Verbindlichkeiten wurden einfach ignoriert. Die alte Währung verlor automatisch und komplett seinen Wert. Der Marxismus-Leninismus brachte unserem Volk eine grausame Gerechtigkeit : Jede Familie hatte von heute auf morgen nur noch Bargeld von 200 Dong! Mehrere wohlhabende Geschäftsleute verloren ihren ganzes Vermögen und begingen Selbstmord. Bankscheine und Bankmünzen unseres nationalen Geldinstituts lagen massenhaft zerstreut in der Umgebung von Wechselstellen und auf den Straßen. Man muß von krimineller Enteignung, staatlichem Raub und von kollektiver Bestrafung der südvietnamesischen Bevölkerung sprechen. Es ist nicht übertrieben zu sagen, daß es sich um ein Friedensverbrechen handelt.

Der zweite Währungswechsel fand am 02. Mai 1978 statt, diesmal war es eine Währungsunion : vom nördlichsten Teil bis zum südlichsten Teil des zwangsvereinigten Landes sollte es eine einheitliche Währung geben. Der gleiche Prozess wurde wiederholt : verschleiertes Procedere, auf Gerüchte über Währungswechsel wurde abstreitend reagiert, Ausgangssperren wurden verordnet und der Wechselbetrag begrenzt. Eine einzelne Person durfte maximal 100 Dong wechseln, für eine Familie mit zwei Angehörigen war ein Wechseln in Höhe von 200 Dong erlaubt, falls die Familie aus mehr als zwei Mitgliedern bestand, gab es ab der dritten Person 50 neue Dong zum Wechseln. Maximal jedoch bekam jede städtische Familie nur 500 Dong. Auf dem Land war der Wechselbetrag noch deutlich geringer. Das Verhältnis war dieses Mal 1 : 1.

Die dritte Wechselaktion ereignete sich im September 1985. Für zehn alte Dong gab es einen neuen Dong. Maximum für jede Familie war eine Wechselsumme von 2.000 Dong, den Rest mußte die Bevölkerung bei den Banken abgeben. Einzelheiten über diese Aktion sind mir nicht bekannt, weil meine Familie zu diesem Zeitpunkt schon in der Bundesrepublik Deutschland lebte.

Es folgte noch ein vierter Währungswechsel im Jahr 2003, anlässlich der Ausgabe polymerer Banknoten. Bei dieser Gelegenheit wurden Bankscheine von 50.000 Dong und 500.000 Dong in Umlauf gesetzt. Zur Zeit gibt es in meiner Heimat folgende Banknoten : 500 Dong, 1.000 Dong, 2.000 Dong, 5.000 Dong, 10.000 Dong, 20.000 Dong, 50.000 Dong, 100.000 Dong und 500.000 Dong. Solche Bankscheine habe ich selber nie gesehen, weil meine Familie seit dem Verlassen meiner Heimat am 24. Februar 1984 nie nach Vietnam zurückgekehrt ist.

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Dank einer langen, geduldigen, komplizierten und effizienten Intervention seitens der Bundesrepublik Deutschland erhielt meine fünfköpfige Familie die Erlaubnis, Vietnam legal und offiziell zu verlassen, per Air Vietnam und Lufthansa. Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher spielte hier eine entscheidende Rolle. (Deshalb haben wir immer der FDP unsere Zweitstimme als Zeichen unserer aufrichtigen Dankbarkeit gewidmet, auch bei der letzten Bundestagswahl am 22. September 2013!). Für unsere lange, sechzehn Stunden dauernde Ausreise mit Aufenthalt in Bangkok und Karachi beantragte ich zehn US-Dollar, aber das wurde abgelehnt. Diese zehn US-Dollar wollten wir nicht bei den staatlichen Geldinstituten kaufen, sondern uns von in den USA lebenden Verwandten, Bekannten, Kollegen, Freunden schicken lassen. Als Begründung der Verweigerung hieß es : „Die Partei führt, die Regierung verwaltet, das Volk herrscht“; weil wir „nur“ Herrscher sind, gehören die ausländischen Devisen der Regierung, nicht dem Volk.

Meine Familie hat die Euro-Einführung am 1. Januar 2002 erlebt. Was für ein Unterschied zwischen einem Rechtsstaat und einem kommunistischen Regime! Die viermalige Währungsumstellung durch das totalitäre Regime in Vietnam hat die galoppierende Inflation, die durch die unsinnige, rationalistische Währungspolitik der Kommunisten ausgelöst wurde, nicht verlangsamen, geschweige denn beenden können. Der gleitende Wechselkurs zum Euro liegt auf dem traurigen Niveau von fast 30.000 Dong zu einem Euro. Unter unserer nationalen Regierung hatten wir im Jahr 1957 ein Verhältnis von 100 Dong zu einem US-Dollar.